Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warnt vor einem vorschnellen Aus aller Corona-Maßnahmen. „Was keinesfalls passieren darf mit Blick auf den Herbst und Winter, ist ein ersatzloses Streichen der Schutzregeln“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. „Wir haben immer noch schwierige Monate vor uns.“ Vor den Gesprächen zur Bildung einer möglichen Ampelkoalition im Bund machte Weil außerdem deutlich, dass die noch offene Finanzierung der umfassenden Klimaschutz- und Digitalisierungspläne einer der entscheidenden Punkte werde.
In der Pandemie gelte es, vorsichtig zu bleiben. „Wir sehen, dass in der Gruppe der Ungeimpften die Inzidenzen noch wesentlich höher sind“, betonte der Regierungschef aus Hannover. Man werde „sehr genau hinschauen müssen, wie der Bund sich in dieser Frage aufstellt“. In der Debatte, ob die sogenannte epidemische Lage – im März 2020 vom Bundestag festgestellt und immer wieder verlängert – bald aufgehoben werde könne, hatte sich auch Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) eher skeptisch gezeigt: Es sei noch nicht an der Zeit, sich ganz von den Schutzregeln zu verabschieden.
Weil, der gerade von einer Portugal-Reise zurückkam, sagte: „Ich kann mich da nur der Sicht von Daniela Behrens anschließen.“ Er ergänzte: „Wir müssen versuchen, die Impfquote insgesamt noch weiter zu erhöhen.“ Dies sei ihm auch bei seinen Gesprächen mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft in Lissabon klar geworden.
Viele Menschen in Portugal hätten ihm erläutert, dass die hohe Impfbereitschaft dort aus den Erfahrungen der heftigen Corona-Welle stamme, die im Februar durch das Land ging und einen harten Lockdown brachte. „Und heute steht Portugal sehr gut da“, so Weil. „Die deutlich besseren deutschen Erfahrungen in der Pandemie machen uns das Werben ums Impfen im Vergleich wesentlich schwerer. Das ist schwer einzusehen.“
Neben der Pandemie-Politik sei nun der Start der Verhandlungen zu einer rot-grün-gelben Bundesregierung zentral. Man werde sehen, wie die Beratungen über die Finanzierbarkeit der weitreichenden Pläne bei gleichzeitigem Verzicht auf höhere Steuern oder Schulden laufen. „Das wird sicher ein Schlüsselthema bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen sein“, meinte Weil. „Klar ist: Es geht beim Umbau Deutschlands in Richtung langfristiger Klimaneutralität und Digitalisierung nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie.“ Dazu zähle natürlich die Frage der Investitionsfinanzierung. „Ich möchte da aber nicht vorgreifen, ehe die Gespräche überhaupt begonnen haben.“ (dpa)