REGENSBURG. Am 1. Januar 1993 wurde der EU-Binnenmarkt eingeführt – der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt. Wie es nach 30 Jahren um seine vier Grundfreiheiten steht und wohin sich Europa entwickeln muss, darüber diskutierten die rund 150 Gäste des Sommerempfangs der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim am Mittwochabend mit Bayerns Europaministerin Melanie Huml.
Während in den 80er Jahren noch Zölle an der bayerisch-österreichischen Grenze fällig wurden, profitieren die Menschen in Europa heute von Reisefreiheit sowie vom freien Verkehr von Dienstleistungen, Kapital und Waren. „Die vier Freiheiten des EU-Binnenmarktes haben unser Leben und auch unser unternehmerisches Handeln stark geprägt und erleichtert“, sagte IHK-Präsident Michael Matt in seinem Grußwort und betonte gleichzeitig: „Die Errungenschaften, die uns ein geeintes Europa gebracht hat, sind nicht selbstverständlich – das wissen wir nicht erst seit dem Brexit.“ Sowohl die Corona-Pandemie als auch der Ukraine-Krieg hätten gezeigt, dass die europäische Einigung nicht aus sich selbst heraus bestehe, sondern stets neu erstritten werden müsse.
Matt beleuchtete, was sich Ostbayerns Wirtschaft von Brüssel wünsche, um auch zukünftig international wettbewerbsfähig zu bleiben. Neben dem Abbau bürokratischer Hürden müsse Europa beispielsweise einen Energiebinnenmarkt schaffen und bei der Versorgung mit erneuerbaren Energien zusammenarbeiten. „Die Einführung des Europäischen Binnenmarktes vor 30 Jahren war ein Meilenstein in der europäischen Integration. Nun muss Brüssel auch noch die letzte Meile gehen und den Binnenmarkt wirklich vollenden.“
Erfolgsgeschichte im Herzen Europas
Wie Europa vor Ort gelebt wird, darüber diskutierte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Jürgen Helmes mit Melanie Huml, Bayerns Staatsministerin für Europaangelegenheiten und Internationales. Huml blickte auf den EU-Beitritt Tschechiens im Jahr 2004 zurück. Dieser habe dem früheren ostbayerischen Grenzraum den nötigen Aufwind gegeben. „Heute ist Ostbayern eine prosperierende Region im Herzen Europas,“ sagte Huml und hob das Engagement der mittelständischen Betriebe in Ostbayern hervor: „Zu dieser Erfolgsgeschichte haben auch die Unternehmerinnen und Unternehmer entscheidend beigetragen, indem sie investiert und Arbeitsplätze geschaffen haben.“
Helmes bestätigte mit Blick auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Ostbayern mit Westböhmen: „Nirgendwo wächst Europa so stark zusammen wie bei uns.“ Mit einem eigenen Regionalbüro in Pilsen stärke die IHK die engen Bande zwischen den Nachbarländern zusätzlich. Eine Zerreißprobe war die Corona-Pandemie: Grenzen wurden geschlossen, die Freiheiten des Binnenmarkts in Frage gestellt. Huml dankte den Wirtschaftskammern für ihr Engagement, durch das wichtiger grenzüberschreitender Wirtschafts- und Pendlerverkehr weiter bestehen konnte, etwa im Bereich der Pflege.
Grenzüberschreitende Freundschaft ausbauen
Um die nachbarschaftlichen Beziehungen zusätzlich zu beleben und die Vielzahl an Initiativen zusammenzubringen, hat die Bayerische Staatskanzlei einen Beirat für die bayerisch-tschechische Zusammenarbeit gegründet, berichtete Huml. Dabei zähle sie auch auf die Mitwirkung der Wirtschaftsorganisationen. „Europa lebt durch menschliche Begegnungen und das Herzblut zahlreicher Initiativen aus Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Bildung“, betonte Huml mit Blick auf das Erfolgsrezept der bayerisch-tschechischen Zusammenarbeit.
Wie die grenzüberschreitende Freundschaft in Ostbayern gelebt wird, beschrieb IHK-Präsident Matt am Beispiel der Trenck-Festspiele in Waldmünchen: Das Freilicht-Schauspiel wird nun simultan auf Tschechisch übersetzt. „Bei allen Herausforderungen und nötigen Reformen, vor denen die EU steht: Durch die Europäische Integration ist bereits viel Gutes geschehen“, schloss Matt.