Bayerns Gemeinderäte dürfen auch künftig ihre Sitzungen nicht als reine Videokonferenzen stattfinden lassen. Zwar bereitet das Innenministerium nach eigenen Angaben einen Gesetzentwurf vor, der es Mitgliedern der Gremien ermöglichen soll, sich digital zuzuschalten und abzustimmen. «Mindestens der Vorsitzende muss aber im Sitzungsraum körperlich anwesend sein, so dass rein virtuelle Sitzungen ausgeschlossen sind», teilt das Ministerium mit. Durch die neue Regelung solle kein Ratsmitglied gezwungen sein, auf körperliche Anwesenheit zu verzichten.
Als weiteren Grund nennt das Ministerium den Öffentlichkeitsgrundsatz. Demnach müssen Sitzungen von kommunalen Gremien für Bürger und Medien «in einem der Allgemeinheit zugänglichen Raum wahrnehmbar sein» – gerade auch wenn diese digitale Sitzungen nicht mitverfolgen können oder wollen.
Ob sich einzelne Gemeinderäte aus der Ferne zu Sitzungen zuschalten und dabei – anders als bislang – auch mit abstimmen dürfen, sollen nach dem Willen des Innenministeriums künftig die Gemeinden selbst entscheiden. Den entsprechenden Gesetzentwurf wollen CSU und Freie Wähler noch im Februar in den Landtag einbringen.
Eine gewisse Skepsis gegenüber Ratssitzungen als reine Videokonferenzen herrscht aber auch bei Bayerns kommunalen Spitzenverbänden. «Wir sind da aus mehreren Gründen etwas zurückhaltend», sagt der Sprecher des Bayerischen Städtetags, Achim Sing. Zum einen gelte der Öffentlichkeitsgrundsatz, zum anderen seien bislang viele rechtliche Fragen nicht geklärt.
«Was tue ich als Stadtrat, wenn es technische Probleme gibt? Wie sieht es bei nicht-öffentlichen Sitzungen mit der Vertraulichkeit aus?», nennt Sing Beispiele. «Ein Gesetzesentwurf müsste Rechtssicherheit schaffen.» Bei Videokonferenzen könne man zum Beispiel nicht so einfach sicherstellen, dass sich neben den Gremienmitgliedern keine weiteren Menschen im Raum befänden.
Weil zu viele Fragen zu diesen Themen offen geblieben seien, habe sich auch der Bayerische Gemeindetag im Oktober gegen einen Gesetzentwurf der FDP-Landtagsfraktion zu rein digitalen Sitzungen ausgesprochen, sagt dessen Sprecher Wilfried Schober. Der Entwurf war damals von sämtlichen anderen Fraktionen im Landtag abgelehnt worden. Der geplante Vorschlag des Innenministeriums solle die offenen Fragen zumindest berücksichtigen, sagt Schober.
Falls sich einzelne Gemeinderäte in Bayern künftig per Video zu Sitzungen zuschalten und dabei abstimmen dürfen, gehen die kommunalen Spitzenverbände nicht davon aus, dass die Möglichkeit oft genutzt würde – ungeachtet der Corona-Pandemie. «Präsenzsitzungen werden nach Einschätzung unserer Mitglieder der Regelfall bleiben», sagt Städtetags-Sprecher Sing. «Vieles geht mit lebendigen Menschen im Raum leichter.»
Auch in Baden-Württemberg, wo Gemeinderäte seit Mai 2020 per Videokonferenz tagen dürfen, wurde die Möglichkeit nur zögerlich angenommen. Nach einer Umfrage des Innenministeriums machten bis Mitte November vergangenen Jahres sieben Städte und Gemeinden sowie zwei Kreistage von der Neuerung Gebrauch. 24 Städte und Gemeinden sowie vier Kreistage beschlossen, die Neuregelung längerfristig in ihren Satzungen zu verankern.
Ohne die Möglichkeit, virtuell zu tagen, setzten vor allem größere bayerische Städte wie München, Nürnberg und Würzburg in Corona-Zeiten zumindest vorübergehend auf sogenannte Ferienausschüsse. In Rosenheim trifft sich eine Rumpfbesetzung des Stadtrats derzeit als «Sonderausschuss Krisenfall», um die Infektionsgefahr zu senken. Wann und mit welchen Mitgliedern solche Not-Gremien tagen, entscheiden die Kommunen selbst.
Allerdings gebe es eine zeitliche Begrenzung, sagt Johannes Suhr vom Nürnberger Bürgermeisteramt. Im Ferienausschuss zu tagen sei nur einmal im Jahr für sechs Wochen am Stück möglich – in Nürnberg als noch bis Ende März. Sollte der Lockdown länger dauern, müsste man sich etwas Neues überlegen.